Die Förderung der Selbstwahrnehmung ist ein grundlegendes Ziel der KomplementärTherapie (1). Nur wer seinen ungesunden Lebensstil erkennt und sich entschliesst ihn zu ändern, hat die Chance selbst seine Gesundheit und sein Wohlbefinden zu verbessern. Das ist aber gar nicht so leicht und es bleibt meist bei guten Vorsätzen. Deshalb ist es hilfreich, sich bei diesem Prozess von einer KomplementärTherapeut*in unterstützen zu lassen. Sie/Er hilft Ihnen, Ihre persönlichen Anliegen und Wünsche umzusetzen. Ebenso motiviert Sie die Therapeut*in dran zu bleiben und passt die Behandlung, aber auch die Übungen für zuhause an die Fortschritte an.
© Unsplash.com
In der professionellen Yoga Therapie, als eine der anerkannten Methoden der KomplementärTherapie, wird gemeinsam im Dialog (Abbildung 1) eine massgeschneiderte Yogapraxis (Abbildung 2) entwickelt, die Sie selber üben können und in welcher Sie spüren lernen, was Ihnen in welchem Moment gut tut und was nicht. Sie erlernen Werkzeuge, die helfen aktiv eine Situation zu verändern, ihre Ressourcen zu erweitern und zu erhalten.
Abbildung 1: Im Dialog mit der KomplementärTherapeut*in wird gemeinsam eine passende Praxis entwickelt (© ktyoga.ch).
Wann Selbstwahrnehmung üben?
Aus der Hirnforschung weiss man heute, dass bei grosser Stressbelastung gewisse Hirnregionen nicht mehr richtig miteinander kommunizieren. Gefühle von Erschöpfung, Angst, Überforderung, Unzufriedenheit, Ärger, Hilflosigkeit oder Niedergeschlagenheit werden unkontrollierbar. Wir können nicht mehr klar denken und gute Entscheidungen treffen. Wir fühlen uns angespannt und sind nicht mehr leistungsfähig. Unser vegetatives Nervensystem kann sich nicht mehr richtig erholen und der Körper braucht viel Kraft.
Nimmt dieser Zustand stetig zu, sendet unser Körper Warnsignale aus. Diese Körpersignale sind bei jedem Menschen unterschiedlich. Das kann von Rückenschmerzen, Nackenverspannung, Kopfschmerzen, Schlafproblemen, Appetitlosigkeit bis zu Infektionsanfälligkeit reichen.
Ignorieren wir über längere Zeit, dass unser Körper Ruhe und Entspannung braucht, dann entstehen chronische Beschwerden. Diese können sich auf körperlicher Ebene zeigen z.B. als chronische Schmerzen und Herzkreislaufproblemen. Oder es entwickeln sich psychische Probleme wie Erschöpfungsdepression, Burnout usw. Studien konnten zeigen, dass bei vielen psychischen Leiden Probleme mit der Selbstwahrnehmung eine Rolle spielen (2).
Warum Selbstwahrnehmung üben?
Die Gesamtheit der Wahrnehmungen prägt unser Wohlbefinden.
Den eigenen Körper besser zu verstehen und dessen Signale wahrzunehmen ist ein Schlüssel für eine bessere Gesundheit, Wohlbefinden und Lebensqualität. Man lernt sich richtig kennen und achtsamer mit sich selber umzugehen (Abbildung 3).
Begleitet Sie eine KomplementärTherapeut*in in der Yoga Therapie, wird ein Prozess in Gang gesetzt. Anstelle negativer (Verhaltens-)Muster auf körperlicher und mentaler Ebene entwickeln Sie Achtsamkeit, mehr innere Ruhe und Stärke. Sie lernen sich gesund zu bewegen, gut zu atmen, sich besser zu konzentrieren und zu entspannen (Abbildung 4). Die harmonische Verbindung von Bewegung, Atmung, Achtsamkeit und Meditation setzt vielschichtige Impulse. Unter anderem werden ihre Ressourcen gestärkt, ihr Selbstwertgefühl gefördert und ihre Widerstandskraft (Resilienz) verbessert.
Eine gute Selbstwahrnehmung ist ein wichtiger Resilienzfaktor bei Stress.
Abbildung 2: Die KomplementärTherapeut*in schreibt die gemeinsam entwickelte Yogapraxis auf, damit sie zuhause geübt werden kann (© ktyoga.ch).
Abbildung 3: Beim regelmässigen Üben der Yogapraxis zuhause lernen Sie die Signale ihres Körpers besser wahrzunehmen. Sie entwickeln ein Gespür dafür, was für Sie im Moment gesund ist und was nicht (© ktyoga.ch).
Abbildung 4: Gesund Üben beinhaltet viele Faktoren. Nicht nur die Selbstwahrnehmung ist wichtig, sondern auch positive Erfahrungen (© ktyoga.ch).
Testen Sie ihre Fähigkeiten, sich gut wahrzunehmen
Kennen Sie die Signale Ihres Körpers?
Überprüfen Sie in den folgenden sieben Wahrnehmungsübungen die Signale ihres Körpers, der Atmung und des Geistes. Die insgesamt ca. 30 Minuten dauernden Übungen sind aufbauend konzipiert; sie können aber auch unabhängig voneinander geübt werden.
Stellen Sie sich aufrecht hin und bewegen langsam die Hände über vorne nach oben. Wie weit können Sie die Arme mit einem Gefühl der Leichtigkeit heben? Danach wiederholen Sie die Übung mit Anheben der Arme über die Seite.
Wahrnehmungsübung 1 von KT Yoga
Welche der Bewegungen fühlt sich besser und leichter an?
Ein wichtiges Ziel ist die Leichtigkeit und Stabilität in den Bewegungen zu erreichen und zu erhalten, damit ein angenehmes, wohltuendes Körpergefühl entsteht.
Übung Teil 1: Knien Sie auf den Boden und stellen Sie die Hände schulterbreit auf (= Vierfüsserstand). Mit der Einatmung weiten Sie den Brustkorb und strecken den Rücken, bei der Ausatmung machen Sie sich rund (=Katze).
Übung Teil 2: Mit der Ausatmung das Gesäss in Richtung Boden sinken lassen (= Faltung) und mit der Einatmung wieder zurück in den Vierfüsserstand.
Wahrnehmungsübung 2 von KT Yoga
Beobachtungsaufgabe:
Die Atmung gibt die Geschwindigkeit beim Üben vor. Damit kann eine Verbindung von Atmung, Bewegung und Geist entstehen und wirkt sich positiv auf ihre Achtsamkeit aus.
Gehen Sie langsam und aufrecht und rollen Sie ganz bewusst jeden Fuss über Fersen, Aussenkante Fuss, Fussballen und kleiner Zehen ab.
Wahrnehmungsübung 3 von KT Yoga
Beobachtungsaufgabe (Nicht bewertendes Beobachten!)
Das langsame Gehen fördert Gleichgewicht und Konzentrationsfähigkeit.
Legen Sie sich bequem auf den Rücken und legen Sie entspannt Ihre Hände auf den Bauch. Spüren Sie die Bewegung unter den Händen und fokussieren sie sich darauf.
Wahrnehmungsübung 4 von KT Yoga
Beobachtungsaufgabe
Selbstreflexion
Legen Sie sich bequem auf den Rücken und legen Sie entspannt Ihre Hände auf den Bauch. Lassen Sie Atmung schrittweise länger werden.
Wahrnehmungsübung 5 von KT Yoga
Beobachtungsaufgabe
Eine ruhige, lange Ausatmung hilft Stress abzubauen.
Legen Sie sich bequem auf den Rücken, die Hände auf die Seite gelegt und bringen Daumen und Zeigfinger zusammen. Mit der Atmung streichen sie mit dem Daumen entlang dem Zeigfinger nach unten und oben. Danach wechseln Sie zum Mittelfinger, Ringfinger usw.
Wahrnehmungsübung 6 von KT Yoga
Beobachtungsaufgabe
Atemübungen mit Fingerstreichen fokussieren den Geist.
Legen Sie sich bequem auf den Rücken und konzentrieren Sie sich auf die genannten Körperregionen (kurzer Bodyscan).
Wahrnehmungsübung 7 von KT Yoga
Beobachtungsaufgabe
Die Atmung ist ein Gradmesser für Ihre Gemütslage.
Damit auf Worte auch Taten folgen
Jeder Neuanfang braucht Mut und birgt Chancen. Packen Sie sie und kontaktieren Sie eine KomplementärTherapeut*in ihrer Wahl (www.ktyoga.ch).
Literatur
1) S. 6, https://www.oda-kt.ch/fileadmin/user_upload/pdf/D/Grundlagen/OKT_DV_GRUNDLAGEN_KT_130503.pdf, 27.6.2021
2) Joachim Retzbach: Heilsame Selbstwahrnehmung, https://www.spektrum.de/news/heilsame-selbstwahrnehmung/1628794, 27.6.2021
Weiterführende Literatur und Hinweise finden Sie auf www.ktyoga.ch
Autorinnen:
Dr. Gisela Stauber
KomplementärTherapeut*in OdA KT
Dozentin für Yogatherapie beim Institut für Komplementärtherapie IKT
Copräsidentin Berufsverband KT Yoga
g.stauber@ktyoga.ch
Marianne Lutz
Dipl. Yogalehrerin (Institut für Komplementärtherapie IKT)
KomplementärTherapeut*in OdA KT
Aktuarin Berufsverband KT Yoga
m.lutz@ktyoga.ch